Schlaflosigkeit muss auch im Alter nicht sein

Schlaflosigkeit muss auch im Alter nicht sein

Prof. Dr. med. Ingo Füsgen, Lehrstuhl für Geriatrie an der Universität Witten/Herdecke und ärztlicher Direktor der Medizinischen Kliniken St. Antonius in Velbert-Neviges, Experte für Altersmedizin zum Thema Schlaf.


Schlafen
 
Schlaflosigkeit findet sich auch bei jüngeren Menschen, scheint aber direkt zum Alter zu gehören. Schon die 65 bis 70-jährigen klagen bis zu 50% über Schlaflosigkeit, Frauen doppelt so häufig wie Männer. Mit weiter zunehmendem Alter werden Schlafstörungen noch häufiger. Eine Reihe von Ursachen (z. B. physiologische Altersveränderungen, Krankheiten, aber auch Umgebungsstörungen) können dafür verantwortlich sein. Der Schlafablauf verändert sich mit dem Älterwerden durch eine Zunahme der Leichtschlafstadien und eine Abnahme der Tiefschlafstadien. Eine große Bedeutung spielen natürlich die Krankheiten und nicht vergessen sollte man die im höheren Alter häufig notwendige Einnahme von mehreren Medikamenten, die auch eine Ursache für eine Schlafstörung bilden können. Da Schlafstörungen deutlich die Lebensqualität mindern, sollte möglichst die auslösende Ursache durch den Hausarzt gesucht und gezielt behandelt werden. Beispielhaft seien hier die periodischen nächtlichen Beinbewegungen oder das Schlaf-Apnoe-Syndrom erwähnt. Bei Verdacht auf diese Erkrankungen, die häufig mit einer Tagesmüdigkeit und –schläfrigkeit einhergehen, muss sogar die Diagnostik in einem Schlaflabor durchgeführt werden, was ansonsten nur selten notwendig ist.

Vor jeder Schlafbehandlung sollte zuerst eine Ursachenforschung durch den Hausarzt durchgeführt werden. Das Ziel einer solchen hausärztlichen Untersuchung bezüglich einer Schlafstörung sollte nicht nur die Schlafdauer feststellen, sondern darüber hinaus alle Beschwerden zu analysieren, die mit einer Schlafstörung im Einzelfall verbunden sein können. Neben der direkten Ursachenbehandlung kommen dann eine medikamentöse Schlafbehandlung und nichtmedikamentöse Maßnahmen infrage.

Kann keine direkt behandelbare Ursache festgestellt werden, stehen an erster Stelle Methoden der Selbsthilfe. Oft lässt sich allein mit diesen Maßnahmen schon die Schlafqualität deutlich bessern. Altbekannte Ratschläge sind dabei: Die meisten sollten auf Coffein bereits am Nachmittag verzichten. Für manche Ältere allerdings erspart der Versuch mit einer Tasse Kaffee vor dem Schlafengehen eine komplizierte Schlaftherapie. In der Regel ist aber das Trinken eines Glases warme Milch vor dem Einschlafen wichtiger. So wichtig Bewegung und körperliche Belastung tagsüber für einen ruhigen Schlaf nachts sind, so kritisch müssen Sie kurz vor dem Bett gehen gesehen werden. Keine körperliche Aktivität (Sport) in den zwei Stunden vor dem Zubettgehen, stattdessen lieber einen ruhigen Abendspaziergang machen. Sinnvoll ist es, den Tag ruhig ausklingen zu lassen. Auch zu langes Fernsehen und Musik hören im Übermaß können den Schlaf stören. Lesen, Radiohören oder Fernsehenschauen kann aber im Einzelfall auch einmal einschlaffördernd sein.  
 
Nicht mit „vollem Bauch“ schlafen gehen. Viele Ältere haben nämlich eine Muskelschwäche zwischen der Speiseröhre und dem Magen (Refluxkrankheit), ohne sich dessen bewusst zu sein. Nach einer reichlichen und späten Abendmahlzeit, kommt es im Liegen zu einem Speisenrückfluss in die Speiseröhre mit der Vortäuschung kardialer Beschwerden. Deshalb sollten Betroffene zwischen Abendessen und Schlafengehen möglichst viel Zeit verstreichen lassen. Beträgt der zeitliche Abstand weniger als 3 Stunden, ist das Risiko für einen Speisereflux in die Speiseröhre aus dem Magen fast 8-mal höher als bei einem Intervall von mindestens 4 Stunden. Im Sitzen bzw. Stehen kommt es nicht zu diesem Reflux.

Temperaturen zwischen 14 und 18 Grad im Schlafzimmer und Frischluftzufuhr gehören ebenfalls zur Schlafhygiene. Schlecht dagegen für den Schlaf sind eine zu kalte Wohnung oder eine Überheizung der Wohnung. Einschlaffördernd wirken zudem warme Bäder oder Fußbäder, deren Wirkung übrigens darauf beruht, dass nach Verlassen der Wanne die Körperkerntemperatur wieder sinkt, was einen starken Schlafreiz auslöst. Einschlaffördernd ist auch ein Glas Alkohol. Übermäßiger Alkoholgenuss erzwingt zwar das Einschlafen, verhindert jedoch den Tiefschlaf und führt zu Durchschlafstörungen. Eine wohltuende und schlaffördernde Wirkung hat bei vielen ein Glas warme Milch vor dem Zubettgehen. 

Wer zwar einschläft, aber nicht durchschläft, der sollte nach einem jüngst in der Ärztezeitung gebrachten Hinweis zur Methodik „Grübelstuhl“ Zuflucht nehmen. Bei diesem Ritual setzt man sich vor dem Schlafengehen hin, um bewusst die Ereignisse des Tages und die Aufgaben des nächsten Tages in Gedanken durchzugehen und evtl. aufzuschreiben und so zur nötigen Ruhe zu kommen. Eine mit gedämpftem Licht brennende Nachttischlampe kann helfen das Einschlafstadium zu überbrücken und gibt außerdem Sicherheit bei nächtlichem Aufwachen.  

An zweiter Stelle in der Schlaftherapie steht bei entsprechender Ausgangsbasis die Lichttherapie, die allerdings aus unterschiedlichen Gründen bisher nur selten zum Einsatz kommt. Viel häufiger ist die Säule Nr. 3 der Schlafmedizin, die medikamentöse Therapie. Falsch ist, sich ohne Rücksprache mit dem Hausarzt in den Apotheken ein frei verkäufliches Schlafmittel zuzulegen. Es handelt sich dabei meist um sedierende Antihistaminika, deren Wirkung nur bedingt gut nachgewiesen ist. Sie haben zudem meist anticholinerge Eigenschaften und können dadurch Schwindel, Ataxie und Verwirrtheit beim Älteren hervorrufen.

Besteht die Schlafstörung im Zusammenhang mit einer bestimmten Erkrankung so kann für eine kurze Zeit eine zusätzliche symptomatische medikamentöse Behandlung sinnvoll sein, sie muss aber befristet sein. Der Hausarzt wird hier eine entsprechende Rezeptierung durchführen.

Wenn eine medikamentöse Behandlung notwendig ist, dann sollten Schlafstörungen so früh wie möglich mit einer hochwirksamen Substanz behandelt werden, um einer Chronifizierung vorzubeugen, solange dies noch möglich ist. Die Auswahl der Medikamente hängt vor allem davon ab, ob eine reine Einschlafstörung vorliegt oder Probleme bestehen, die Schlafdauer aufrecht zu erhalten (Durchschlafstörung) oder aber die Schlafmenge durch frühzeitiges Erwachen ohne erneutes wieder Einschlafen begrenzt wird.

Die neueren sich auf dem Markt befindlichen Schlafmittel ersetzen zunehmend die älteren Präparategruppen, die aufgrund ihrer unerwünschten Nebenwirkungen gerade beim Älteren kaum mehr gefragt sind. Wie jüngst auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin verdeutlicht wurde, wird dass Risiko der Abhängigkeit bei der Langzeitbehandlung mit Schlafmitteln häufig überbewertet. „Bei Hypertonikern und Diabetikern akzeptiert man auch, dass sie lebenslang behandelt werden müssen. Ähnlich wie Antidiabetika eine Stoffwechselstörung des Organismus beheben, kompensieren Schlafmittel eine Störung im ZNS (Zentrales Nervensystem/Gehirn)“.

Baldrian kann bei Schlafstörungen zwar ebenfalls helfen, ist aber deutlich weniger wirksam. Interessanter werden in den nächsten Jahren Chronobiotika wie Melatonin und dessen Abkömmlinge sein. Das erste verschreibungspflichtige Melatonin Phamakon wurde in den USA kürzlich zugelassen (Wirkstoff: Ramelteon). In Deutschland gibt es bisher noch kein entsprechendes Präparat. Melatonin gibt dem Organismus das Signal, dass Dunkelheit herrscht und es Zeit zum Schlafen ist. Es hat den Vorteil, dass es keinerlei Abhängigkeit induziert.

Welches Medikament man immer auch zum Schlafen einnimmt, es sollte mit dem Arzt abgesprochen werden. Für eine Einschlafstörung brauche ich ein anderes Medikament als für eine Durchschlafstörung. Keinesfalls sollten bei Einnahme eines Schlafmittels die nichtmedikamentösen Möglichkeiten vergessen werden. Dabei sollte Teil der nichtmedikamentösen Behandlung auch immer das Management der Schlafmittel sein. Ziel muss nicht immer das Sistieren der Medikation sein, was oft auch nicht möglich ist, sondern eine limitierte und gezielte Einnahme, wie es jüngst der Leiter der Insomniesprechstunde am Zentrum für Schlafmedizin in Bern formulierte.